Wenn die Ordnungshüter Tatverdächtige verfolgen, dann können sie nicht immer zimperlich vorgehen. Es liegt schließlich im Interesse der Allgemeinheit, dass die Kriminellen gefasst werden können. Wenn dabei Schäden an Gebäuden verursacht werden, stellt sich für die Eigentümer die Frage nach einer Entschädigung durch das Land. Dazu gibt es jetzt ein interessantes Urteil.
Hamm/Westfalen. Wenn die Polizei Tatverdächtigen nachstellt und im Rahmen der Verfolgungsjagd eine Haustür aufbricht, muss der Staat den Eigentümer nicht wegen einer Amtspflichtverletzung der Beamten entschädigen. Sehr wohl kann aber eine Entschädigung nach dem Enteignungsrecht in Betracht kommen, weil der betroffene Eigentümer einen im Interesse der Allgemeinheit liegenden Eingriff in sein Eigentum erdulden musste. Das hat das Oberlandesgericht Hamm kürzlich entschieden und erklärt, nach welchen Grundsätzen die Entschädigung erfolgt (Urteil vom 20.12.2024, Az.: 11 U 56/24).
Der konkrete Fall war das juristische Nachspiel einer bösen Überraschung, die ein Hauseigentümer-Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen erlebt hatte. Als sie eines Tages zurück nach Hause kamen, waren die Haustür und die Kellertür aufgebrochen. Allerdings war nichts gestohlen worden: Vielmehr informierte ein Zettel darüber, dass Einsatzkräfte der Polizei die Türen auf der Jagd nach zwei Tatverdächtigen aufgebrochen hatten. Dabei hatten die Beamten den Schließmechanismus der Kellertür zerstört und die Haustür beschädigt.
Von der erst ein halbes Jahr alten, 2.500 Euro teuren Tür waren zwei Teile heruntergefallen. Nachdem das Land sich weigerte, die Eigentümer zu entschädigen, zogen diese vor Gericht. Sie legten die Notiz der Polizei sowie die Rechnung vom Neukauf der Haustür vor und zeigten mit Videoaufnahmen, welche Schäden entstanden waren. Das Oberlandesgericht Hamm sprach den Geschädigten letztlich eine Entschädigung in Höhe von 300 Euro zu. Das Gericht stellte fest, dass in diesem Fall keine Haftung des Landes wegen einer Amtspflichtverletzung in Frage kam.
Polizisten hatten keine Amtspflicht verletzt
Die Polizisten hatten mit dem Aufbrechen der Türen eine rechtmäßige strafprozessuale Maßnahme vorgenommen und insofern keine Amtspflichtverletzung begangen, für welche der Staat hätte aufkommen müssen (dies ist geregelt in Art. 34 des Grundgesetzes und § 839 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Allerdings sei das Vorgehen der Beamten gegen das Haus der klagenden Eigentümer als enteignender Eingriff zu werten, entschied das Oberlandesgericht.
Die Begründung dafür: „Der Einsatz der Polizei diente der Strafverfolgung und damit den Interessen der Allgemeinheit“, schreibt das Gericht. „Der Kläger und seine Ehefrau wurden einem staatlichen Eingriff ausgesetzt, der sie anders als andere Eigentümer zu einer Aufopferung im öffentlichen Interesse zwang.“ Es handele sich um ein sogenanntes Sonderopfer: Wer ein solches in Form eines enteignenden Eingriffs in sein Eigentum erdulden muss, hat einen Anspruch auf Entschädigung.
Land zu 300 Euro Entschädigung verurteilt
Sie umfasst nur die Schäden, die unmittelbar durch den Enteignungsakt am entzogenen Recht selbst eintreten, erklärt das Gericht in seinem Urteil. Es handelte sich nach Überzeugung des Gerichts in diesem Fall auch nicht um eine Bagatelle, die ohne Entschädigung bleiben könnte. Die Bemessung der Entschädigung orientiert sich in einem solchen Enteignungsfall an dem geschätzten Mindestschaden nach § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO). Diesen taxierte das Oberlandesgericht hier auf 300 Euro und verurteilte das Land NRW zur Zahlung.
Die Eigentümer mussten für die Entschädigung nur beweisen, dass die Polizei die Schäden verursacht hatte und die Schadenshöhe mindestens 300 Euro betragen hatte – davon ging das Gericht auf Grundlage der Videos vom Schadensbild aus. Das Land konnte sich demnach nicht darauf zurückziehen, dass die Eigentümer nicht nachgewiesen hatten, wie hoch der Schaden wirklich gewesen war. Einen solchen substanziierten Vortrag über die tatsächliche Schadenshöhe braucht es für die Mindestentschädigung nach dem Enteignungsrecht nicht.
Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.
Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.
Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel nach seiner Veröffentlichung nicht mehr aktualisiert wird. Das Veröffentlichungsdatum ist über der Überschrift angegeben.