Wie Kommunen in NRW mit Müll und Abwasser abkassieren

Das Thema ist nicht neu: Haus & Grund Rheinland Westfalen macht schon länger darauf aufmerksam, dass es in NRW bei den Gebühren für Müll und Abwasser große Unterschiede zwischen den Kommunen gibt. Die sind nicht allein aus örtlichen Gegebenheiten zu erklären, sondern auch mit verdeckter Haushaltskonsolidierung. Der Bund der Steuerzahler zieht dagegen jetzt vor Gericht.

Das Thema ist nicht neu: Haus & Grund Rheinland Westfalen macht schon länger darauf aufmerksam, dass es in NRW bei den Gebühren für Müll und Abwasser große Unterschiede zwischen den Kommunen gibt. Die sind nicht allein aus örtlichen Gegebenheiten zu erklären, sondern auch mit verdeckter Haushaltskonsolidierung. Der Bund der Steuerzahler zieht dagegen jetzt vor Gericht.

Düsseldorf. Die Gebühren für die Entsorgung von Abwasser und Abfall sind in Nordrhein-Westfalen auf hohem Niveau stabil und zeigen enorme regionale Unterschiede. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, welche der Bund der Steuerzahler NRW gestern (4. August 2020) vorgestellt hat. Während die vierzehntägliche Leerung einer 120-Liter-Restmülltonne, einer gleich großen Biotonne und der Papiertonne für einen Vier-Personen-Haushalt in Münster 640,80 Euro kostet, sind es in Kaarst gerade mal 146,20 Euro. Der Landesschnitt liegt bei 270 Euro.

Münster ist damit die teuerste Kommune in NRW, Kaarst die Günstigste. Unter den 5 teuersten Kommunen folgen auf Münster die Städte Selm (492,60 Euro), Alpen (433,44 Euro), Burscheid (420,04 Euro) und Hattingen (411,60 Euro). Unter den 5 günstigsten Kommunen finden sich dagegen Mechernich (146,39 Euro), Bedburg-Hau (154,80 Euro), Blankenheim (158,00 Euro) und Meerbusch 163,00 Euro). Der angenommene Musterhaushalt passt allerdings nicht gleich gut zu jedem der Preismodelle der verschiedenen Kommunen, was die Vergleichbarkeit etwas begrenzt.

Abwassergebühren mit großen regionalen Unterschieden

Dennoch muss die Höhe der Unterschiede von Ort zu Ort sehr zu denken geben. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Abwassergebühren. Ein Vier-Personen-Haushalt, der 200 Kubikmeter Frischwasser verbraucht und auf eine abflusswirksame Fläche von 130 Quadratmetern kommt, zahlt im NRW-Durchschnitt 726,49 Euro. In der teuersten Kommune Nordrhein-Westfalens, Waldbröl, sind es dagegen 1.246,60 Euro. Es folgen Monschau (1.227,60 Euro), Much (1.204,50 Euro), Barntrup (1.181,20 Euro) und Siegburg (1.160,70 Euro).

Wo es starke Abweichungen vom Durchschnitt nach oben gibt, da gibt es sie auch nach unten. In der günstigsten Kommune Nordrhein-Westfalens zahlt der Musterhaushalt nur 246,50 Euro fürs Abwasser – das – ist in Reken der Fall. In den Top-5 der günstigsten Kommunen folgen Raesfeld (341,50 Euro), Schloß Holte-Stukenbrock (344,00 Euro), Velen (345,20 Euro) und Verl (355,20 Euro). Natürlich spielt bei der Abwasserentsorgung die Topographie eine Rolle – im Bergland müssen teure Pumpstationen betrieben werden.

Hohe Kapitalkosten: Bürger bezahlen Kanalsystem doppelt

Außerdem haben Gemeinden mit wenig Einwohnern und viel Fläche einen Kostennachteil, weil lange Leitungen für hohe Kosten sorgen, die durch wenige Gebührenzahler aufgebracht werden müssen. Allerdings lassen sich so große Preisunterschiede, wie die Studie sie ausweist, allein dadurch nicht erklären. Der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass die Kommunen Spielräume in der Veranschlagung der Kosten oft zulasten der Bürger auslegten, um damit die kommunalen Haushalte zu konsolidieren.

Beispiel Abschreibungen: Setzt man hier die Kosten an, die ein Kanal vor 50 Jahren tatsächlich gekostet hat oder den Wert, den eine Wiedererrichtung heutzutage kosten würde? Der letztere Betrag fällt natürlich sehr viel höher aus, in NRW dürfen die Kommunen aber genau diesen Wiederbeschaffungswert heranziehen. Hinzu kommen sogenannte kalkulatorische Zinsen: Hiermit dürfen die Kommunen sich einen Ausgleich dafür zahlen lassen, dass sie das Geld, wenn es nicht für Abwasserkanäle ausgegeben worden wäre, anders hätten investieren können.

Bund der Steuerzahler führt Musterklage gegen Abwassergebühren

Derzeit können die Kommunen nach aktueller Rechtsprechung einen kalkulatorischen Zinssatz von 6,06 Prozent ansetzen – obwohl so hohe Zinsen seit vielen Jahren völlig illusorisch sind. Die Kombination aus kalkulatorischen Zinsen und Abschreibungen führt nach Angaben des Bundes der Steuerzahler dazu, dass die Bürger bei den Gebühren einen doppelten Inflationsausgleich zahlen müssen. Dagegen geht der Verband jetzt gerichtlich vor: Er hat die Gemeinde Oer-Erkenschwick in einem Musterverfahren wegen ihres Abwasserbescheids verklagt.

Bleibt abzuwarten, was das Oberverwaltungsgericht in Münster am Ende urteilen wird. Neben den Kapitalkosten machen es allerdings auch die Preismodelle den Bürgern oft schwer, etwa durch Müllvermeidung Geld zu sparen – dann nämlich, wenn ein Mindestvolumen für den Restmüll angesetzt wird. Die Thematik ist insgesamt nicht neu. Haus & Grund Deutschland hat in den letzten Jahren immer wieder ähnliche Studien zu Müll- und Abwassergebühren erstellt, die bundesweit die Gebührenlast vergleichen. Wie berichtet schnitten NRW-Kommunen dabei zumeist besonders schlecht ab.

Hohe Wohnkosten: Kommunen sind maßgeblich mitverantwortlich

Das Thema der kommunalen Gebühren hat eine hohe Bedeutung für die Wohnkosten insgesamt. Wie der NRW-Wohnkostenbericht von Haus & Grund Rheinland Westfalen zeigt, steigt die Belastung der Bürger durch die Nebenkosten des Wohnens seit Jahren stärker als jene durch die Kaltmieten. „Die Höhe der Betriebskosten ist zu rund 70 Prozent von politischen Entscheidungen abhängig“, weiß Erik Uwe Amaya, Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland Westfalen, aus dem NRW-Wohnkostenbericht.

„Dabei haben die Kommunen wiederum einen hohen Anteil in ihren Händen – bei der Grundsteuer, aber eben auch bei den Gebühren für Abwasser und Müllentsorgung.“ Sein Appell: „Die Kommunen täten gut daran, ihre Haushalte nicht zu konsolidieren, indem sie mit überhöhten Kapitalkosten und unflexiblen Preismodellen die Entsorgungsgebühren für die Bürger in die Höhe treiben.“ Der beginnende Kommunalwahlkampf sei eine gute Gelegenheit, dieses Thema in den betroffenen Orten jeweils gezielt zum Gegenstand der politischen Diskussionen über bezahlbares Wohnen zu machen.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

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